Die Unterzeichnenden sehen die kommende Überarbeitung der EU-Richtlinie als Chance, dem Trend der Kriminalisierung von geflüchteten Menschen, sowie humanitären Organisationen entgegenzuwirken und endlich wieder menschenrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien in den Mittelpunkt zu stellen.
Gemeinsamer Appell
Sehr geehrte Bundesministerin Nancy Faeser,
die EU steht in diesen Jahren an einem Scheideweg. Grundlegende rechtsstaatliche und menschenrechtliche Prinzipien werden zunehmend infrage gestellt und offen angegriffen, oft von Regierungen selbst. Menschen, die Schutz und Sicherheit suchen, sind dabei im Fadenkreuz staatlicher Verfolgung. Das hat ganz konkrete Folgen: Prozesse etwa in Griechenland oder Italien gegen Personen, die Flüchtlingsboote steuern, zeichnen sich durch Verfahrensverletzungen und mangelnde Beweisführung aus.¹ Doch nicht nur Schutzsuchende selbst, auch ihre Unterstützer*innen werden in vielen Mitgliedstaaten kriminalisiert.² Selbst wenn es letztlich zu Freisprüchen kommt, wird der Ruf von Organisationen durch die staatlichen Attacken geschädigt. Die oft jahrelangen Verfahren bedeuten außerdem eine enorme finanzielle und psychische Belastung für die Beschuldigten. Die EU-Richtlinie zur Beihilfe illegaler Einreise ist ein häufig verwendetes Instrument, um Flüchtende oder Unterstützende strafrechtlich zu verfolgen.
In den letzten Jahren gab es deswegen immer wieder Forderungen aus der Wissenschaft, von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Expert*innen, nach einer Überarbeitung der Richtlinie, um diesem Kriminalisierungstrend ein Ende zu setzen. Diesem Ruf ist die Europäische Kommission durch den von ihr 2023 vorgelegten Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie nun gefolgt. Um Schutzsuchenden und Menschenrechtsverteidiger*innen endlich Rechtssicherheit zu garantieren, muss jedoch dringend nachgebessert werden.
Für uns ist klar: Eine überarbeitete Richtlinie muss vollumfänglich in Einklang mit dem UN-Schmuggelprotokoll, sowie internationalem Menschenrechten und dem Flüchtlingsrecht stehen. Humanitäre Hilfe und Unterstützung sind Ausdruck von Menschlichkeit und einer lebendigen Zivilgesellschaft und dürften nicht kriminalisiert werden. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, sich bei den kommenden Verhandlungen für folgende Punkte einzusetzen: