Die Bezahlkarte. Diskriminierungsinstrument oder Entlastung?

Artikel vom 08.03.2024

Die Bezahlkarte. Diskriminierungsinstrument oder Entlastung?

Anfang 2025 soll die Bezahlkarte deutschlandweit eingeführt werden. Hierbei sollen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) künftig auf Debitkarten überwiesen werden, anstatt wie bisher in Form von Barauszahlungen oder Überweisungen. 14 von 16 Bundesländer einigten sich auf „Mindeststandards“. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen eigene Systeme einführen.   

Hierdurch sollen Anreize für illegale Migration nach Deutschland und die Finanzierung der sogenannten Schlepper*innenkriminalität unterbunden werden.


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Quelle: AWO Bundesverband e.V.

Ob diese großen Ziele mit der kleinen Bezahlkarte erreicht werden, ist fraglich. Denn die Push-Faktoren die Menschen zur Flucht zwingt, sowie Krieg oder Verfolgung, werden durch die Einführung der Bezahlkarte nicht geringer. Auch ist es laut Expert*innen unwahrscheinlich, dass Leistungsbeziehende überhaupt Gelder in relevanter Höhe Rücküberweisen und ob dies Migration nach Deutschland befördert. Laut Prof. Matthias Lücke könnten Einschränkungen sogar irreguläre Migration vorantreiben.  

Dass die Menschenwürde nicht „aus migrationspolitischen Gründen relativiert“ werden darf, wurde bereits im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) verdeutlicht. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Trotzdem liegen die Leistungen nach dem AsylbLG weiterhin unter dem berechneten Existenzminimum.  

Hinzukommen zahlreiche Sanktionsmöglichkeiten ohne zeitliche Befristung, welche weiteres Unterschreiten des Minimums erlauben.  

Im diskriminierenden Parallelsystem des AsylbLG, scheinen die Wörter „Mensch“ und „Minimum“ eine andere Bedeutung zu haben als im Leistungssystem (SGB) welches für alle anderen Personengruppen in Deutschland gilt. Denn das Wort „Mensch“ trifft auch auf Asylsuchende zu. Und „Minimum“ bedeutet Minimum – weniger ist nicht möglich.  

Nun soll ein Instrument (erneut) eingeführt werden, welches die Menschenwürde von geflüchteten Menschen weiter angreifen soll, sowie eine defacto Kürzung des bereits unterschrittenen Existenzminimums. Denn wenn Leistungsbeziehende nicht aussuchen dürfen was sie wo kaufen möchten; viele Läden, Angebote oder Dienstleistungen nicht nutze können, stellt das eine Kürzung dar.  

In Bayern können Asylsuchende, die im Besitz der neuen Bezahlkarte sind, nur noch einen geringen Bargeldbetrag abheben und das auch nur in der ausländerrechtlich zugeteilten Kommune. In den bundeseinheitlichen Mindeststandards wurde die Möglichkeit des Ausschlusses bestimmter Händlergruppen und Branchen eingeräumt. Leistungsbehörden sollen Einsicht auf den Guthabenstand nehmen können. Die Missbrauchs- und Diskriminierungsgefahren sind dementsprechend zahlreich.  

Dabei könnte die Bezahlkarte ebenso gut zu Entlastung führen. In vielen Bundesländern ist ein monatliches Vorsprechen zur Abholung der Barzahlung notwendig. Auch ist das Eröffnen eines Bankkontos nicht für alle Asylsuchende schnell möglich. Eine diskriminierungsfreie Bezahlkarte ähnlich wie sie in Hannover eingeführt wurde könnte -als Übergangslösung, bis ein Konto eröffnet wurde- zu Entlastung bei den Antragstellenden und der Verwaltung führen.  

Alle Leistungsberechtigten ohne Konto erhalten in Hannover die sogenannte “Social Card”, mit der sie unbegrenzt abheben können und in jedem Geschäft in dem Visakarten akzeptiert wird, bezahlen können. Die Leistungsbehörde kontrolliert Transaktionen nicht.

Die Einführung einer Bezahlkarte für Leistungsbeziehende nach dem AsylbLG ist nur vertretbar, wenn sie diskriminierungsfrei und unter Einhaltung Datenschutzrechtlicher Bestimmungen geschieht.

Daher fordert die AWO:

  • Freie Verfügbarkeit über die Leistungen. Weder die Höhe der Bargeldabhebung noch der Ort an dem Abgehoben werden kann, darf fremdbestimmt sein
  • Überweisungen und Einzugsermächtigungen müssen möglich sein.
  • Von einem Ausschluss bestimmter Händlergruppen oder Branchen ist abzusehen
  • Alle volljährigen einer Bedarfsgemeinschaft müssen eine eigene Karte erhalten
  • Die Bezahlkarte darf nur eine Übergangsregelung darstellen, bis Leistungsbeziehende ein Konto eröffnet haben.
  • Die Einhaltung des Datenschutzes, sowie die informationelle Selbstbestimmung ist zwingend sicherzustellen

Der AWO Bundesverband hat gegenüber der Innenministerkonferenz und der Ministerpräsidentenkonferenz  seine Standpunkte zur aktuellen Flüchtlingsdebatte - unter anderem zur Bezahlkarte- deutlich gemacht.  

 

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